Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen by Alfred Döblin

Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen by Alfred Döblin

Autor:Alfred Döblin [Döblin, Alfred]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-03-16T00:00:00+00:00


Der Ritter Blaubart

Hinter der dünnen Birkenreihe, welche die Stadt von Norden her umsäumte, zog eine wellige Ebene nach dem Meere zu, wenig mit niedrigen Kiefern und Strauchwerk besetzt. Kein einziger Weg führte aus dem Durchbruch der Stadtmauer nach dem Strand, der kaum zwei Stunden entfernt ist; eine Kleinbahn fuhr in weitem Bogen um die Einöde herum an das Wasser. In vielen Senkungen der Ebene stand der Sumpf, schwarz und steif wie Leim; Ratten und Kröten hausten hier; öfter stieß ein Häher durch die dicke Luft und schlug ein Weichtier an.

Wo sich die Hügelreihe am stärksten erhob, ragten quadratische und unförmige Steinblöcke scharf auf, Reste verwitterter Klippen. Das Meer hatte sich früher über das Land gestreckt; jetzt lag die Ebene verstört und frostig da; Meer und Erde wandten sich von ihr ab.

Diese Fläche war vor langen Jahren auf eine sonderbare Weise in den Besitz eines Barons Paolo di Selvi gekommen. Er war von einer Weltreise durch den Sund in diese See gesteuert, um in der Stadt den Vater seines ersten Bootsmannes zu besuchen, der unter dem Äquator dem Schwarzwasserfieber erlegen war. Er stieg ans Land, sprühend von Laune, träumerisch, eroberungssicher. Breitschulterig ging er mit den leicht gebogenen Beinen des Reiters über die Anlegebretter. Der Wind pfiff scharf an dem Morgen, und warf ihm die schiefsitzende Kapitänsmütze mit einem glatten Schlag ins Wasser, so daß er barhäuptig und lachend unter seinen Leuten stand, die das böse Omen entsetzte. Seine Augen waren etwas schräg gestellt, dicht an der Nase, die klein und stumpf war und mit ihrer Wurzel tief einsetzte. Die klaren hellgrauen Augen stimmten schlecht zu dem Munde von mädchenhafter Weiche, zu der Sanftheit seiner Stimme. Er ritt auf einem schwarzen Hengst hinter einem Maultiergespann den weiten Umweg nach der Stadt; zwei Truhen schleppte man zu dem alten Manne, den er suchte, eine mit Andenken und allem Nachlaß des Bootsmannes, die andere mit japanischer Seide, indischen Perlen und Juwelen, mit sibirischem Pelzwerk. Kaum zwei Stunden blieb er in der Stadt, dann trabte er pfeifend und lachend allein zurück, unbekannt der Gegend, den kurzen Weg durch die Ebene. Es ist nichts bekannt über die Geschehnisse in der Ebene an dem Mittag. Der Baron muß schon am Eingang des Gebietes vom Pferd abgesessen sein und sich allein durch den Sand und Morast gemacht haben. Beim nächsten Morgengrauen fand man den Vermißten besinnungslos auf der Klippe liegen, lang auf den Rücken ausgestreckt, über und über mit Tang und Lehm bedeckt, das Gesicht eigentümlich geschwollen, glühend, mit Bläschen, wie verbrannt, auch an der rechten Hand und dem Vorderarm löste sich die Haut in Fetzen ab. Man lagerte den ohnmächtigen Mann auf eine Bahre, trug ihn schräg über das Brachland auf die nächste Chaussee, wo man einen Heuwagen requirierte und in die Stadt fuhr. Die Wundflächen heilten in einer Woche. Der Baron wußte nicht, was ihm geschehen war. Nur die Krankenschwestern berichteten, daß seine Augen gegen Abend einen leidenden entsetzten Ausdruck annähmen, daß er den rechten Arm zur Abwehr in die Höhe hebe und trostlos wimmere. Als



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